(4) Wie Sie Ihre Leser gründlich einwickeln

Kurze Sätze sind besser lesbar als lange. So viel hat sich inzwischen herumgesprochen. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Kurze Sätze passen nicht immer. Auf Dauer können Sie nerven. Heute geht es deshalb um “Punkte setzen auf dem Bildschirm” … und nicht nur den einen am Satzende.

Stimmt das Muster, läuft der Text

Texte brauchen einen “roten Faden”. Doch in diesem Bild steckt mehr Wahrheit, als die meisten ahnen …

Die erste Wahrnehmung eines Texts dauert nur Bruchteile von Sekunden. Diese kaum messbare Zeitspanne entscheidet über Topp oder Flopp: Ist der Text leicht oder schwer lesbar, verständlich oder kompliziert?

Schuld daran ist unser Gehirn. Das kann nämlich mehr, als die meisten ihm zutrauen. Zuerst sieht es das, was ein Schriftbild dem Wortsinn nach ist: ein Gewebe. Denn nichts anderes bedeutet das Wort “Text” – vom lateinischen “textum”. Wir nehmen Text als Gewebe mit Mustern bzw. Strukturen wahr, und ein wesentliches Element dieser Strukturen ist der Satzbau.

Sätze: Hauptsache einfach

Kurze Sätze sind kein schlechter Anfang. Das bedeutet aber nicht, dass keine Nebensätze möglich sind. Um die Faustregel etwas zu erweitern:

  • Sätze mit maximal 9 Wörtern sind “sehr leicht verständlich”. Sätze mit bis zu 18 Wörtern gelten als immer noch leicht bzw. gut verständlich.1
  • 80 % aller Sätze in einem Text sollten mindestens “leicht verständlich” sein.
  • Es kommte auch auf den Satzbau an: Einfache, am besten nachgestellte Nebensätze sind ok. Das völlige Fehlen von Nebensätzen macht einen Text sogar schwerer lesbar, denn er verliert leicht die inneren Bezüge, den Zusammenhalt des “Gewebes”.
  • Einschübe dagegen, auch wenn sie kurz sind, wirken, wie Sie gerade feststellen, falls Sie dies aufmerksam lesen, immer unglücklich.

 Interpunktion: mehr als Punkt und Komma

Viele Satzzeichen führen heute ein Schattendasein. Der Doppelpunkt zum Beispiel verkommt oft zum reinen Missbrauchsfall: Als Abschluss von Überschriften verkündet er, dass nun das Folgende folgt. Semikolon und Gedankenstrich fristen ihr Gnadenbrot als Bestandteil von Smileys. Allenfalls das Gatter hat als #begriffdendukennenmusst in den letzten Jahren Karriere gemacht.

Dabei sorgt Vielfalt bei Satzzeichen für Vorfreude beim Leser: Das Textgewebe wirkt lesbarer und lockerer.

  • Der Doppelpunkt ist gut für die Verbindung von zwei Sätzen: Er verhindert zu lange Sätze und markiert einen Sinnzusammenhang – z. B. als Ursache und Folge, Behauptung und Begründung etc. Kleiner Rechtschreibtipp: Groß geschrieben geht es nach dem Doppelpunkt (nur dann) weiter, wenn ein vollständiger Satz folgt.
  • Der Gedankenstrich kann ähnlich wie ein Doppelpunkt eingesetzt werden. Er kann aber auch das Schriftbild auflockern – z. B. um Nachsätze besser hervorzuheben.
  • Das Semikolon trennt vor allem gleichrangige Sätze oder Wortgruppen; besonders gut passt es, wenn diese Sätze ein gemeinsames Thema haben.
  • Als reine Lesehilfe lässt sich der … auffällige … Dreipunkt einsetzen. Er kann einzelne Begriffe betonen … genauso gut aber Aufzählungen entzerren … und damit Aussageketten besser lesbar machen … ohne den Zwang, sie in Einzelsätze zu verwandeln.
  • Vom modischen Hashtag zu Unrecht (!) verdrängt worden ist das geklammerte Ausrufezeichen: Es betont einzelne Begriffe auch dort, wo eine Formatierung der Schrift nicht möglich oder zulässig ist.

Kurz gesagt: Eine kreativere Zeichenverwendung verbessert Lesbarkeit und Lesefreude, denn sie verschafft dem Auge mehr Anhaltspunkte.

Eine fehlerlose Struktur und genau gesetzte Orientierungshilfen sind das Geheimnis eines guten Textgewebes.

Ob man aus dem gleichen Grund auch Sonderzeichen-Smileys einsetzen sollte, ist eine Stilfrage. In den meisten Standardtexten werden sie heute immer noch als unpassend empfunden. Im Bereich der sozialen Netze dagegen wird sich kaum jemand mehr daran stören; gängige Zeichen-Smileys wie “:)” werden von der Software dort oft automatisch in  Emoticons verwandelt.

Vom Großen zum Kleinen geht es im 5. Teil weiter: um Wörter in wichtiger Rolle und solche, die man besser weglässt.

1 Richtwerte der Deutschen Presseagentur dpa
Bildquelle: pixabay

Der Autor: Michael A. Schmidt entwickelt seit 1994 werbliche Strategien und Inhalte für  digitale Medien – seit 2011 als freier Werbetexter und Kommunikationsberater.
www.freier-texter-frankfurt.de

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